Leserbrief des FW/UNA-Fraktionsvorsitzenden vom 04.02.2017
Leserbrief zum Beitrag "Im einstigen Biergarten sollen Senioren wohnen" vom 02. Februar
Mit dem Eingangssatz „Das Graffiti-Areal“ in Altdorf ist ein magischer Ort, der offenbar auch die politischen Gemüter in der Stadt verzaubert.“, hat Herr Blinten völlig Recht. Doch bei aller Verzauberung, historischer Verbundenheit und Sozialromantik müssen sich die politischen Entscheider an den Realitäten, wirtschaftlichen Zwängen, notwendigen Erfordernissen, rechtlichen Rahmenbedingungen und Fakten orientieren und diese gegebenenfalls abwägen.
Bereits bei den Haushaltsberatungen Ende 2016 war der Ankauf des Graffiti-Areals, den die SPD und die GRÜNEN beantragt hatten, das Hauptdiskussionsthema. Die FW/UNA hätte sich vor einiger Zeit durchaus einen Erwerb dieses Grundstücks durch die Stadt vorstellen können. Jedoch war vor ein paar Monaten noch nicht bekannt, dass sich die Schulden der Stadt in den nächsten Jahren durch etliche unvermeidbare Großinvestitionen ohnehin gewaltig erhöhen werden. Ferner hat sich durch die aktuellen Planungen der Arbeiterwohlfahrt für eine Seniorenwohnanlage für „Betreutes Wohnen mit ambulantem Pflegedienst“ an dieser Stelle eine völlig andere Situation ergeben, da dringend weitere neue Plätze für Senioren in Altdorf benötigt werden. Die fußläufige, zentrumsnahe Lage ist optimal und vor allem sozial im Hinblick auf die stadtnahe Teilhabe von Senioren am öffentlichen Leben in Altdorf. Andere zentrumsnahe größere Grundstücke für Senioreneinrichtungen stehen leider alternativ auch nicht zeitnah zur Verfügung. Das eventuell denkbare ehemalige Fachakademiegelände an der Hersbrucker Straße soll bekanntlich weiterhin zur Unterbringung von Asylbewerbern genutzt werden. Der Ursprungsgedanke vieler Stadträte aus dem Sommer 2016, dass das Areal von der Stadt Altdorf selbst aufgekauft wird und die renovierungsbedürftigen Gebäudlichkeiten einer sinnvollen städtischen Nutzung zugeführt werden, kann bei der jetzigen und künftigen Haushaltslage und mangels sinnvollem öffentlichem Nutzungskonzept verantwortungsbewusst nicht weiterverfolgt werden. Für einen weiteren „Kulturtreff“ hat die Stadt – neben dem zukünftigen Kulturzentrum am Baudergraben, dem Jugendzentrum in der Neubaugasse und dem neuen Bürgertreff in der Oberen Wehd – keinen nachhaltigen Bedarf. Für eine Grünanlage und/oder einen Wirtschafts- und Biergartenbetrieb ist der Kaufpreis einfach zu hoch. Kein Pächter könnte die Pacht erwirtschaften und bezahlen, die für den notwendigen Kapitaldienst erforderlich wäre!
Da das Grundstück aktuell durch die derzeitigen Eigentümer zum Verkauf steht, möchte ich ein paar mögliche Varianten ganz objektiv beleuchten:
Alternative 1: Da sich für einen Ankauf durch die Stadt aus vorgenannten Gründen im Stadtrat vermutlich keine Mehrheit finden wird, könnte durchaus ein vermögender Privatmann oder eine Personengruppe das Objekt aus „Liebhaberei“ kaufen und wieder eine Kneipe mit Biergarten und Kino betreiben. Dies wäre auch mir sympathisch, jedoch wird sich hierfür niemand finden lassen.
Alternative 2: Die Stadt könnte versuchen, den für das Areal beschlossenen Bebauungsplan, gegen den die Eigentümer mit Sicherheit klagen werden, auf dem Gerichtsweg final durchzusetzen. Jedoch weiß man, wie Verwaltungsgerichte mit sogenannten „Verhinderungsplanungen“ umgehen. Ich weiß natürlich nicht, wie eine derartige Gerichtsentscheidung im konkreten Fall ausgehen würde. Sicher ist jedoch, dass die Stadt hierfür nochmals viel Energie und Geld investieren müsste. Sicher ist auch, dass – egal wie die Gerichtsentscheidung im Detail ausgehen würde – ein neuer Eigentümer das Graffiti in jedem Fall abreißen darf und das Grundstück in irgend einer Art und Weise auch bebauen kann. Dann wird die Bebauung vielleicht weniger massiv, als dies bei der Seniorenwohnanlage der Fall sein würde. Dann werden aber vermutlich die befürchteten Luxusappartements gebaut, die die Allgemeinheit an dieser Stelle sicher nicht wirklich braucht!
Alternative 3: Was wir in Altdorf jedoch tatsächlich dringend benötigen, das sind stadtnahe, behindertengerechte und betreute Wohnungen für Senioren und Rollstuhlfahrer! Mir ist es auch völlig egal, wer diese Wohnungen als Bauherr baut (AWO oder Investor / Bauträger im Hintergrund). Entscheidend ist für mich, dass die AWO die Seniorenwohnanlage und die angegliederte Sozialstation betreibt. Ich betrachte es als Gewinn für Altdorf, dass die AWO hier als seriöser, kompetenter und sozialer Betreiber zur Verfügung steht! Altdorf sollte nun die Chance mit der AWO an dieser Stelle für unsere Senioren nutzen. Vermutlich wird es wohl auch die letzte Chance sein, dass Altdorf hier nun mit der AWO ein sozialverträgliches, gutes und wichtiges Projekt bekommt!
Thomas Dietz, Altdorf
FW/UNA-Fraktionsvorsitzender